Die Eskapistin

Ich leide unter post-adoleszenter Bettverlustangst

Das Miss-Verständnis

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In der Freundin kann man nun „Miss Bambi“ werden. Wer das Glück hat, diesen zweifelhaften Titel zu gewinnen, kann Justin Bieber treffen und ihm während der Verleihung des Fernsehpreises Bambi (aha) in die Augen sehen. Kein Ziel, für das es sich wirklich zu kämpfen lohnt – so scheint mir. Aber ich habe nun gelesen: Zehntausende Mädchen eskalieren emotional, malträtieren ihre Eltern, damit die doch die wichtigen Aktaufnahmen bei dem zwielichtigen Fotografen aus dem Hinterhof bezahlen und wollen „Miss Bambi“ werden. Ich bin schockiert.

Mal ganz davon abgesehen, dass ich „Bambi“-sein ohnehin für ein äußerst fragliches Lebens-End-Ziel halte (man erinnere sich an meine Abneigung gegenüber diesem Typ Frau), kann ich nicht verstehen, wie jemand ohnehin eine Miss werden möchte.

Denn es gibt nun wirklich für alles eine Miss-Wahl. Es scheint beinahe so, als würde es mehr Miss-Titel als Anwärterinnen geben. Miss Universe, Miss Globus, Miss verheiratet-und-aus-Oer-Erkenschwick, Miss mir-steht-kein-Bikini-aber-ich-wäre-eine-super-Kandidatin-für-Schwiegertochter-gesucht, Miss Braunes-Haar, Miss Blondes-Haar, Miss an-mir-ist-nichts-echt. Miss ich-bin-nun-verheiratet-und-eigentlich-eine-Misses oder Miss eigentlich-bin-ich-ein-Mister. Und so weiter, und so fort – der Fantasie der windigen Geschäftemacher sind da keine Grenzen gesetzt.

Die meisten Menschen wissen ja ohnehin schon nicht, wer sie sind. Zehnmal am Tag fragen sie bei Facebook die Glücksnuss um Rat, suchen bei Dieter Bohlen nach ihrem Supertalent und lassen sich auf RTL2 ein neues Gesicht machen, damit die Suche nach sich selbst mit neuen Voraussetzungen von vorne beginnen kann. Sensationell.

Dann ist man irgendwann die zehnte Miss Leipzig-Anger-Crottendorf, bekommt eine Scherpe und weiß aber immer noch nicht, wer man ist. Außer eben Miss Leipzig-Anger-Crottendorf, die nun ihre sichtlich geschlauchte Vorgängerin ablösen darf, die nach 365 Tagen in den Diskotheken zwischen Chemnitz und Dürrröhrsdorf-Dittersbach nicht mehr ganz so frisch aussieht, wie vor dem Tag, an dem sie neunte Miss Leipzig-Anger-Crottendorf wurde.

Sicherlich: Ich würde nicht einmal die Wahl zur Miss Ulle gewinnen. Weil Jan „Ulle“ Ullrich mit seinen durchtrainierten Waden und gedopter Frisur an mir vorbeiziehen würde. Und Scherpen würden meinen Oberkörper ungünstig betonen, ich mag gar nicht darüber nachdenken, wie behämmert ich mit Scherpe an meinen bleichen Schultern und Krönchen in meinem zauseligen Haar aussehen würde. Die Ringrichter (oder wie die heißen) würden wohl die Punktschildchen über ihrem Kopf zusammenschlagen. Und danach ihre Karriere beenden.

Wahrscheinlich fehlt mir irgendein wichtiges Gen, um an einem Wettkampf dieser Art teilzunehmen. Gewinnen möchte ich nur beim Fußball, der Rest ist mir suspekt. Warum irgendjemand im Bikini auf einer Bühne rumspringt, sich in epischer Breite über seinen größten Wunsch (Weltfrieden oder wahlweise ein Treffen mit dem Weihnachtsmann) auslässt: Verstehe ich nicht.

In meiner Schulzeit war es, da hatte einer meiner Schulfreunde eine Freundin. Scarlett oder so hieß sie. Irgendein Name, der wohl schon im Geburtskanal festlegte, dass dieses Kind irgendwann mit Glitzer am Augenlid und einem pinken Herzen im Bauchnabel über die Bühnen der norddeutschen Gemeinden wanken würde. Denn das tat sie. Sobald sich die Möglichkeit auftat, war sie da. Der festen Überzeugung, seine Freundin hätte das Zeug zum Star, fuhr der Schulfreund sie überallhin. Ich glaube, über den Titel der Miss Westerstede-Ocholt ist sie wohl nie hinausgekommen.

Um einen Bogen zurückzuschlagen, zu Bambi, dem gemeinen Miss-Vieh: Bekommt Miss Bambi statt einer Scherpe eigentlich ein Geweih aufgesetzt?

3 Kommentare zu “Das Miss-Verständnis

  1. Nein, Miss Bambi bekommt einen tiefen Blick in die Rehaugen von Justin Bieber geschenkt, an den sie sich auch noch erinnern wird, wenn sie 30 ist und ihn dann bei seiner dritten Comeback-Tour durch Deutschlands Einkaufshäuser auf diesen „Magic Moment“ ansprechen. 🙂 Wie ich darauf komme? Es gibt Frauen in unserem Alter, die großen Anteil an der Reunion von Take That genommen haben.

  2. Allein der Titel Deines Beitrags ist 5 Sterne wert.

    Cool geschrieben. Zur Frage an sich, warum Frau Miss werden wollen könnte – in meinen Augen zwar nicht nachvollziehbar, aber akzeptierbar: Vermutlich die Sehnsucht, etwas besonderes zu sein, beliebt zu sein.

    Und die Gesellschaft lebt es ja vor: Schick sein im Sinne von „sich dem aktuellen Modediktat unterwerfen“ lohnt sich. Wie oft wird über Äusserlichkeiten geurteilt – nicht nur, aber aber bei ihnen besonders, bei Frauen? Gut aussehend allgemein ist ein Bonus, „hübsch gestylt“ ergibt Zusatzwertungspunkte für „wow, wie anstrengend muss das gewesen sein“.

    Wer sich diesem Druck verweigert muss stark genug sein, sich hinterher nicht über eventuell verlorene Chancen zu ärgern. Wem dies aber gelingt – Respekt!

  3. Ich kann mich Julia nur anschließen – Justin Bieber ist der Grund für die Begeisterung. Und Bambi klingt einfach nach dem, was die meisten Teenie-Mädchen sein wollen: süß und niedlich. Aber wie gesagt, es geht um Mr. J.B.. Ich glaube, da könnte die Wahl sogar zur „Miss Terminator“ sein und es würden immer noch genug Bewerbungen eingehen, wenn nur Justin Bieber der Hauptpreis ist. 😉

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