Die Eskapistin

Ich leide unter post-adoleszenter Bettverlustangst

Zusammenraufen

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Manchmal passieren Dinge, die man nicht erwartet. Man kennt das: Eingekullert auf dem Lieblingssessel sitzen wir dort, baden in Selbstmitleid und sind der festen Überzeugung, dass uns nichts Gutes mehr widerfahren wird. So war es im vergangenen Winter auch bei mir und nie hätte ich gedacht, dass der Typ, der mir einreden wollte, sein Spitzname sei sein wirklicher Vorname, dann irgendwie mehr werden würde, als eben nur ein Typ.

Plötzlich kann ich nachts neben Jemandem schlafen, ohne Angst zu haben, ich würde am nächsten Morgen mit Penissen aus Edding auf meiner Stirn aufwachen. Und weil das Badesaster (der unkundige Leser lese hier nach) und noch andere Dinge passiert sind, ziehen wir nun zusammen. Nun eigentlich sind wir bereits zusammengezogen. So richtig.

Ich wollte das nie. Nicht nur deshalb, weil ich anstrengend bin. Sondern auch, weil andere Menschen anstrengend sind. Weil ich morgens furchtbar aussehe und nicht möchte, dass das Jemand sieht. Weil ich eine Joghurtschublade brauche. Und andere Menschen vielleicht nicht. Weil ich hin und wieder einfach schweigen möchte. Und der andere Mensch vielleicht nicht.

Und so raufen wir uns gerade zusammen. Und raufen, das trifft es. Ich hasse Kompromisse. Und doch gehe ich – gehen wir – einen nach dem anderen ein. Das ist definitiv leichter, wenn man sich mag und deshalb werden meine geliebten weißen Regale von Ikea nun Bestandteil der Küche. Und sein Aquarium darf bleiben. Obwohl ich Aquarien hasse, die Tiere mich langweilen und das Geplätscher, das durch die ganze Wohnung tönt, mich nachts schon oft genug in Richtung Toilette trieb.

Mir war bisher nicht bewusst, über was man alles geteilter Meinung sein kann. Ob der Kühlschrank zu voll ist (Nein.). Ob das Waschmittel stinkt (Ja.). Wie man eine Geschirrspülmaschine einräumt (So wie ich.). Ob die Katze nachts in die Küche darf (Ja.). Ob unbehandelte Holzregale in eine Küche gehören (Nein. Nicht einmal in eine Wohnung.). Wie groß ein Vorratsschrank sein darf (Groß). Was „zu kalt“ ist (meine Füße.). Ob laute Punk-Musik gut ist (Nein.).

Zu Beginn dachte ich: „Nein, so sollte das nicht sein.“ Immerhin wird einem ständig kommuniziert – sei es in Serien, Filmen oder Frauenzeitschriften – dass es, wenn man Jemanden, den man wirklich mag, gefunden hat, ja, dass es dann passt. Man versteht sich blind, erkennt den Essenswunsch am Atem und die Unzufriedenheit am Zucken im linken Zeh.

Aber das ist nicht so. Und wenn ich so zurückblicke, denke ich: Es war noch nie bei einem Menschen so. Aber immerhin bin ich nun Willens, zu lernen, dass das Zucken im linken Zeh Unzufriedenheit bedeutet und Kartoffeln mit Spinat und Spiegelei so gut wie immer das Wunschessen ist.

Es wäre ja auch blöd und vor allem langweilig, wenn man sich sofort perfekt kennen würde, nichts mehr zu entdecken da wäre. Erst wenn man sich zusammenrauft, erkennt man den anderen. Wenn man nicht mehr nach zwei Tagen den anderen verlässt, um in die eigene Wohnung zu fahren, sich dort die Beine zu rasieren, stundenlang auf dem Klo Zeitung zu lesen und endlich in die Klamotten steigt, die zwar unsexy aussehen, dafür aber doch so bequem sind. Ein Freund nannte das: Präsentationszwang.

Wenn man dann aber plötzlich zusammenwohnt, dann tauchen sie auf, all die kleinen Marotten, die man vorher meist erfolgreich verbergen konnte. Weil es plötzlich nicht mehr heißt: Ist ja Dein Bad, mach doch, was Du willst. Sondern: Es ist unser Bad UND NUN VERDAMMTNOCHEINMAL LASS DIE ZAHNBÜRSTE NICHT STÄNDIG AM WASCHBECKENRAND LIEGEN.

Charakterbildung, würde der Freund aus Essen wohl sagen. Denn während wir plötzlich bereit sind, Kompromisse anzunehmen und zu entwickeln, lernen wir eine ganze Menge über uns selbst. Beispielsweise, dass wir sehr wohl damit leben können, dass plötzlich Schokolade in der Joghurtschublade liegt. Und dass man sich irgendwann an das Plätschern des Aquariums gewöhnt – man sollte vorm Schlafengehen eben nur nichts mehr trinken.

5 Kommentare zu “Zusammenraufen

  1. Ganz toll geschrieben! Da steckt wirklich so viel Wahrheit drin. Ich denke, dass Zusammenziehen nie perfekt läuft, aber es kann einen dennoch glücklicher machen, als alleine zu wohnen, auch wenn man Kompromisse eingehen muss.

  2. Glaub mal, ohne Präsentationszwang lebt sich’s viel angenehmer.

  3. Ich bin seit 9 Jahren mit meinem Mann zusammen und wir raufen immer noch 😉

  4. Pingback: Irgendwie anders und so weiter - Henning Uhle

  5. Das hat mir bei meiner Trennung am meisten Spaß gemacht: Endlich diese häßlichen Haargeltöpfe- und Tuben von meiner Badablage zu entfernen. Die Farben passten einfach nicht in das Gesamtbild (quietschorange und gallegelb vs. hell, freundlich, Naturtöne). Hätte man im Grunde vorher sehen können.

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