Die Eskapistin

Ich leide unter post-adoleszenter Bettverlustangst

Das Trampolin

3 Kommentare

Gemeinsam. Hand in Hand. Hüpfen.

Gemeinsam. Hand in Hand. Hüpfen.

Wäre das Leben eine Serie, manche Folgen wären so düster und schwarz, dass Batman dagegen ein Leuchtfeuer wäre. Wir alle kennen sie; manche haben ganze Staffeln in tieftrauriger Stimmung, manche nur wenige, dafür aber das Staffelfinale mit der Sommerpause und dann der erlösenden ersten Folge der neuen Staffel, die alles wunderbar macht.

Wie wir mit diesen Episoden umgehen, ist eine persönliche Sache. Manche stürzen sich in Renovierungsprojekte, wehklagen in den Sozialen Netzwerken, reißen Witze und lachen am Lautesten. Wenn bei mir der Soundtrack aus Damien Rice und Janove Ottesen besteht, dann gehe ich nicht mehr raus. Und selbst wenn ich rausgehe, bin ich nicht wirklich da, verschanze mich mit lauter Musik, einem dicken Schal und tönenden Gedanken.

In den vergangenen Wochen und Monaten war die Musik sehr laut, es gab zwei Schals und die Gedanken brüllten mich an, bis ich das Gefühl hatte, taub zu sein. Ich bin in diesen Episoden nicht sonderlich gut darin, mir Hilfe zu suchen. Obwohl ich mir nicht mehr wünsche, als in den Arm genommen zu werden, kann ich diesen Wunsch nicht formulieren.

Vielleicht ist es ein krankhafter Stolz, vielleicht ist es aber auch die in mir weilende Versagensangst, die mich seit Anbeginn meines Lebens wie eine wahnsinnige und alternde Ballerina antreibt. Dann lachend, wenn ich mich selbst beim Einstieg in die Dusche so sehr stoße, dass mein Knie drei Wochen lang schwarz ist. Da sitze ich dann, das Knie pocht, die Gedanken rasen und die Ballerina lacht höhnisch: „Guck mal, nicht einmal duschen kannst Du.“

Jeder kennt das und der Einstieg in den Text ist viel trauriger und tragender als er sein sollte. Aber was ich sagen möchte: Manchmal ist das Leben scheiße zu uns und sei es nur, weil der Badewanneneinstieg zu hoch und die innere Ballerina zu laut ist.

Ich bin sehr froh und endlich dankbar, dass ich Freunde und Familie habe, die es nicht zulassen, dass ich dann stundenlang auf dem Badewannenrand sitze und mich frage, warum meine eigentlich langen Beine diesen völlig normalen Einstieg nicht schaffen. Ich bin eine Meisterin des Zerdenkens, wie viele andere Menschen auch, und finde einen großen Satz an Fragen und Punkten, die man diskutieren kann. Warum schaffe ich 355 Tage im Jahr den Gang unter die Dusche, verletze mich aber ausgerechnet heute? Ist meine Hüfte vielleicht blockiert, weil ich mittlerweile 32 (in schön: <33) bin? Sind es die ersten Anzeichen meiner BSE-Erkrankung, die ich mir damals, im Sommer 1996 im Holland-Urlaub, zuzog, als ich die fragwürdigen Burger aus der noch sehr viel fragwürdigeren Imbissbude aß?

Es gibt diese Metapher, dass Freunde und Familie ein Netz sind, das uns auffängt. Eine Metapher, die – einmal mehr – nicht ausreicht. Wenn ich in ein Netz falle, dann bleibe ich da liegen. Hin und wieder überkommt mich solch eine Faulheit, dass ich nicht mehr aufstehen mag. Außerdem ist es so passiv. Und wenn meine Freunde und meine Familie – teilweise übrigens in Überschneidung, weil mein kleiner Bruder auch einer meiner besten Freunde ist – eines nicht sind, dann ist es passiv.

Vermutlich sind sie mehr ein Trampolin. Drauffallen und mit Schwung und einem „Du bekommst das hin und nun jammere nicht“ wieder nach oben geschleudert werden. Das ist ja ohnehin viel praktischer; auch wenn ich nicht möchte, dass man mir beim Einstieg in die Dusche hilft,WEIL ICH DAS JA EIGENTLICH KANN!

Mir gefällt die Idee mit dem Trampolin, nicht nur, weil Netze bekanntlich – hohoho – ja auch mal Löcher haben können und dann etwas durchfällt. Aber so ein Trampolin: das ist ja so gut wie unkaputtbar. Und mit etwas Übung springt man auch nicht daneben – Familie, Freunde, Wir: ein eingespieltes Team.

Ich bin ohnehin nicht gut im Trösten, deshalb bin ich auch lieber Teil eines Trampolins als eines Netzes. Es fällt mir sehr viel leichter, als Cheerleaderin für Menschen zu fungieren als als Kummerfrau. Weil ich ja auch lieber springe als zu fallen.

Mit Freunden und Familie als Trampolin im Rücken, kann einem nichts passieren. Sie sind da, lassen uns kurz einsinken und bringen uns dann mit neuer Kraft nach oben; und auch wenn wir gerade keinen Kontakt haben, sind sie doch da – unsichtbar unter unseren Füßen. Eine schöne Vorstellung, mit der wir auch der keifenden Ballerina in uns entgegentreten können. Hüpfend und lächelnd, die Beine in der Luft und den Blick in den blauen Himmel gerichtet. Und der blaue Fleck am Knie: schon vergessen.

In diesem Sinne: Springt höher und höher, habt ein schönes Jahr 2014 und bleibt mir gewogen.

3 Kommentare zu “Das Trampolin

  1. Trampolin, eine sehr schöne Metapher.
    Wunderbar!

    Das Wort „Netz“ mag ich in diesem Kontext trotzdem.
    Nicht im Verständnis des Seiltänzers, sondern mehr als soziales Gewebe zwischen uns allen.

  2. Eine wirklich schöne Metapher, die mich ab jetzt begleiten wird, da bin ich mir sicher. <33

  3. Ich musste die ganze Zeit an das Netz denken, in dem ich mich so lange verstrickt hatte. Ein wundervolles Netz aus Herzen und Händen. Erst jetzt verstehe ich, warum ich es durchschneiden musste, um weiter zu kommen. Danke dafür.
    Auch ich werde mich künftig bemühen, für meine Freunde ein Trampolin zu sein …
    Einen herzlichen Gruß vom
    Udelinchen

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