Die Eskapistin

Ich leide unter post-adoleszenter Bettverlustangst

Kotzende Elefanten

36 Kommentare

Die Welt braucht Superhelden. Meine Freundinnen und ich kümmern uns drum.

Die Welt braucht Superhelden. Meine Freundinnen und ich kümmern uns drum.

Vor einiger Zeit begann ich an dieser Stelle einen Text zum Thema „Veränderungen“. Dass sie dann kommen, wenn man nicht mit ihnen rechnet, dass sie häufig wie neue Schuhe sind, in die man sich erst hineintragen muss und dass es Dinge gibt, die man nie erwartet hätte.

Und wenn ich dachte, 2014 habe mit dem Leipziger Freund und gemeinsamer Wohnung bereits genug Veränderung gebracht, so musste ich an einem Morgen im August erfahren, dass da noch mehr geht. Ein dunkles Plus auf einem Schwangerschaftstest und plötzlicher Ekel vor Zigarettenqualm und Frischkäse ware dann doch eindeutig.

In der Apotheke gratulierte man mir, als ich nur die kleine für rund sieben Wochen reichende Packung Folsäure kaufte, die Frauenärztin gratulierte, die Arzthelferin ebenfalls. In meinem Kopf sah ich die glückseligen Mensche aus ungezählten Serien und Filmen und Werbespots, in denen Frauen ab dem ersten Moment der Schwangerschaft auf Wolke 7 schwebten, die Männer an der Seite endlich den Haken hinter „ein Kind zeugen“ setzen konnten und ohnehin alle völlig aus dem Häuschen waren und sind und statt weißer Wolken alles in Himmelblau und Rosa sehen.

Als die Übelkeit einsetzte, dachte ich mir noch: Hm, das gehört eben dazu. Als ich morgens würgend und mich übergebend (und manchmal auch mittags, nachts oder am Abend) vorm Klo hing, der Leipziger Freund „Entschuldigung“ durch die ganze Wohnung brüllte (imerhin trägt er seinen Anteil daran), da dachte ich mir: „Nein, das ist doof und das ist nicht himmelblau oder rosa – das ist Galle.“

Den September (und die ersten Wochen im Oktober) verbrachte ich rund 80 Prozent der Zeit liegend, entweder Kroketten mit Ketchup, Knäcke mit Butter und Salz oder Fruchtzwerge essend. Sobald die Brauerei um die Ecke ihren Geruch nach Maische verströmte, war jeder Aufenthalt im Freien unmöglich. Zigarettengeruch, angebratenes Essen, Menschen: Der Geruchssinn eines Vampirs ist nichts dagegen.

Ja, ich freue mich auf den neuen Abschnitt in meinem Leben, darauf ein Kind zu bekommen, Mutter zu sein und eine Familie zu gründen. Aber es gibt so viel, über das man sich plötzlich Gedanken macht, dass jedes „Du bist schwanger, wie schön!“ erst einmal ein „Ah, aber ich muss mir doch jetzt Gedanken über den Abstand der Stäbe im Kinderbett machen – ich habe keine Zeit, es schön zu finden“ hervorruft.

„Beherzige nur eines“, sagten die Bremer und die Hamburger Freundin: „Lies keine Forenbeiträge.“ Unbeirrbar las ich natürlich doch und wusste irgendwann alles zu Fehlgeburten und dem, was schief gehen kann. Jedes Zimperlein (Kribbeln in der Hüfte, Seitenstechen oder plötzlicher Husten mit gleichzeitigem Appetit auf Apfelmus) wurde gegoogelt und fand definitv seine Entsprechung in irgendeinem Forum, in dem so furchtbare Dinge standen, dass ich irgendwann der festen Überzeugung war, dass nichts gut gehen würde und ich mich schon aus Prinzip nicht freuen dürfte, sondern jammernd und bibbernd in der Ecke sitzen müsste bis das Kind auf der Welt sei und  dann hätte ich noch mehr Angst, weil irgendjemand vielleicht schlecht Auto fährt, ich mit Kind stolpere oder mein gekochtes Essen nicht nahrhaft genug für den Nachwuchs sei.

Nachts lag ich wach und dachte nach. Über mein Leben und ob ich eine gute Mutter werden würde. Wo der beste Platz für einen Wickeltisch sei und ob eine Ente oder ein Boot für die Badewanne für mehr Lächeln sorgen würden. Wie ich wehleidiges Ding eine Geburt überstehen soll und wie ich dieses allzu menschliche Ereignis hinter mich bringe, ohne dass ich danach schamerfüllt im Bett liege. Ob auch Elefanten, die immerhin 22 Monate schwanger sind, sich auch übergeben. Ob es nicht verantwortungslos sei, zwischen Ebola und IS ein Kind in die Welt setzen.

Es soll ja Menschen geben, die sich gerade deshalb nicht fortpflanzen. Aber das ist doch arg hoffnungslos. So viele meiner Freundinnen sind zurzeit ebenfalls schwanger und mittlerweile bin ich der festen Überzeugung, dass unser aller Nachwuchs eine Armee der Superhelden wird, die Mittel gegen Angst und Krieg und Hunger und Armut und Krankheiten findet. Oder zumindest seinen Beitrag zu einer bessere Welt leistet; und sei es nur, vermehrt den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.

Alles wird gut. Schwangerschaft ist eben auch die Verkörperlichung des „Man wächst mit seinen Aufgaben“. Meine Aufgabe ist nun knapp fünf Zentimeter groß.

36 Kommentare zu “Kotzende Elefanten

  1. Oh mein Gott, was für ein wundervoller Text!!!

  2. Herzlichen Glückwunsch! (Was denn sonst?)

  3. Ich hoffe, dass es deinen fünf Zentimetern und dir gut geht und die fünf Zentimeter in ein paar Monaten groß, gesund und schmerzlos aus dir herausrutscht und alles toll wird.
    Übrigens – ich glaube, ich wäre auch so eine grübelnde Forenleserin. Und Elefanten sind sehr loyale und liebende Mütter.
    – Jessa

  4. Herzken bitte hier einsetzen.

  5. Auch unbekannterweise habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass du eine großartige Mama sein wirst.

  6. Na das ist ja mal ne Neuigkeit! Meinen herzlichsten Glückwunsch!

  7. Herzlichen Glückwunsch!
    Ja, das mit dem Sorgen machen kenn ich, das mit den Foren lesen auch. Beides gehört, glaube ich, derzeit zum Mutterwerden dazu.
    Das Ergebnis ist meist dafür umso schöner und meines liegt gerade friedlich schlafend neben mir und wärmt durch seine bloße Anwesenheit mein Herz 🙂

  8. wie schön! und natürlich wächst man mit seinen Aufgaben. Alles Gute

  9. Na dann herzlichen Glückwunsch 🙂

  10. Wow, bei dir passiert ja so einiges! Herzlichen Glückwunsch, ich freue mich riesig für euch! 🙂 Wisch die Zweifel einfach weg, dir steht der schönste Teil des Lebens gerade noch bevor 🙂

  11. Du bist schwanger, wie schön!

  12. Ein klasse Text! Da kommen Erinnerungen wieder hoch. Wünsche euch alles erdenklich Gute! Ach ja Herzlichen Glückwunsch 😉

  13. Herzlichen Glückwunsch!!!
    Und wie immer – schöne geschrieben!

  14. Ach, ich les das erst heute und dann auch hier noch mal: Alles Gute! Und ich finde übrigens, ein Wickeltisch gehört ins Bad. Aus Gründen. Gegen die Schmerzen gibt es feine Drogen. Und die guten Seiten der Schwangerschaft kommen noch 😉 Du schaukelst das schon!

  15. Ich bin dafür, dass es Dir baldbaldbald wieder gut geht! Dass Ihr einen schönen, kotzfreien Winter habt und Euch nicht mit Sorgen quälen müsst.

    Und ich will Dir danken. Dafür, dass Du nichts von „herzeln“ und „Kugelzeit“ schreibst. Dass Du Dich (hoffentlich immer) als MILF siehst und eben einen Fußballfan mit Dir herumträgst, anstatt die Mamifrau vom Bauchizwerg in der Bauchwohnung sein zu wollen.

    Du bist toll!

  16. Und wie du mit den Aufgaben wachsen wirst! Nächsten Sommer sehen wir uns mit Baby und unserem dann schon großen Jungen. Ich habe Babyhalten bei dir gut. Ich drück dich fest!

  17. Sehr toller Text, v.a. in meinem persönlichen Kontext der vielen Menschen, die um mich herum Eltern werden.

    Und ein persönlicher Zusatz: Wer so gut reflektieren kann, kriegt das mit dem ersten eigenen Kind auch hin 🙂

  18. 💚-lichen Glückwunsch!!!
    Ich kann dir versichern,dass es das größte in deinem Leben wird!Unser kleiner Mann liegt grade schlafend zwischen uns auf dem Sofa und anstatt fernzusehen,muss ich ständig diesen kleinen Menschen ansehen! Es ist ein Wunder und ich kann es immer noch nicht fassen,dass wir ihn mit nach Hause nehmen durften. =)
    Ich wünsche dir und deinem wachsenden Fussballfan alles Gute!!!

  19. Lese das über diverse Ecken auch erst jetzt – herzlichen Glückwunsch! Kann mich in vielem sehr wiederfinden und stimme Eric mit dem Reflektieren stark zu.. fantastisch nachvollziehbar auch „Ah, aber ich muss mir doch jetzt Gedanken über den Abstand der Stäbe im Kinderbett machen“ – das hört jetzt leider nicht mehr auf!! Und wenn man’s mal vergisst, liest man garantiert (vielleicht sogar in irgendeinem Forum) dass das eben spontan gekaufte Produkt bei Stiftung Waren- oder Ökotest wegen massiver krebserregender und fruchtbarkeitsschädigender oder sowieso giftiggefährlicher Schadstoffüberbelastung gnadenlos durchgefallen ist. Halleluja. Der Rest ist aber sooo toll, genieße es & Grüße aus Berlin!

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