Ich dachte über Romantik nach. Ich bin keine große Romantikerin. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Ich kann mit Rosensträußen und Liebeserklärungen im Regen nicht viel anfangen. Mir graut es vor Anträgen im Fußballstadion, vor beklebten Collagen mit Kussbildern im Sonnenuntergang; Schafe mit „Ohne Dich ist alles doof“ sind mir körperlich unangenehm und Kerzen mag ich zwar, verstehe aber nicht, warum man den Weg zum Bett damit weisen soll.
Das erinnert mich alles an ein Kuchenrezept, an das man sich sklavisch hält, weil die Chance dann recht groß ist, dass der Kuchen auch aufgeht. In unserer Gesellschaft haben sich offenbar bestimmte Formen und Rezepte etabliert, mit denen die perfekte romantische Gelegenheit erstellt werden kann. Kerzen + Barry White. Herzkissen + „Ohne Dich ist alles doof“-Postkarte. Sonnenuntergang + perlender Weißwein. Spotify-Playlist + Whatsapp-Nachricht mit einem Kleinerdrei.
Die Romantik muss immer größer, immer aufsehenerregender werden, weil unsere Welt stetig nach Superlativen verlangt. Und während alle laut rufen, überhört man die leisen Worte und übersieht die vermeintlich unauffälligen Handlungen. Dabei ist das Laute doch eher das, was wir für die anderen tun. Damit sie sehen, was für tolle Menschen wir sind, dass wir Gefühle haben und diese auch kommunizieren können. Aber muss das echt sein? Ich – beispielsweise – ich bin viel zu schüchtern, um mich über öffentliche Zuneigungsbekundungen zu freuen.
(Ja. Ich bin schüchtern. Glaubt mir nur nie jemand.)
Die Lieblingssüßigkeit noch spontan besorgen, weil man weiß, dass der Andere sich freut; Kaffee aus einem Becher trinken, weil beide ihn gleich trinken (viel Milch, kein Zucker); das Bett vorwärmen, weil der Andere spät nach Hause kommt und frierend an der Haltestelle auf die nächste Bahn warten musste; Zeit nehmen, obwohl keine Zeit da ist. Stundenlang die Lieblings-Serie des Anderen mit ansehen, obwohl man die Geschichte verworren und die Schauspieler erbärmlich findet. Unsere Persönlichkeit, unsere Vorlieben, unsere Erfahrungen und Vorstellungen von der Liebe bestimmen, was wir romantisch finden
Die meisten von uns schreien permanent nach Aufmerksamkeit, posten jede noch so unwichtige Befindlichkeit, bemerken aber nicht, dass die Aufmerksamkeit Vieler nicht die Zeit und das Dasein eines einzigen Menschen ersetzen kann. Und das Worte häufig auch nur Worte sind, schnell gesagt, einfach so.
Vielleicht sehe ich das auch falsch; immerhin sagt man mir eine gewisse Kaltherzigkeit nach, weil ich einst sagte, ich würde gern allein schlafen: „Weil dann niemand neben mir liegt, der a t m e t.“ Erwähnt im Büro jemand das Verb „atmen“ fallen die Kollegen röchelnd vom Stuhl und zeigen noch im Sturz mit ihrem Finger auf mich.
Ja, vielleicht bin ich kaltherzig, weil ich das Standard-Rezept der Romantik nicht verstehe. Eventuell bin ich aus diesem Grunde auch unvermittelbar, weil ich zu viel verlange, Menschen mit einem mysteriösen Verständnis von Romantik überfordere.
Schuld daran sind die Macher von „Nur die Liebe zählt“ (gibt es das überhaupt noch?). Mit den karaokesk vorgetragenen Versionen von My Heart Will Go On und I Will Always Love You von verzweifelten Mittvierzigern, die mit glänzender Glatze in ihr Mikrofon jammerten, mit diesem schwitzenden Elend haben sie das Romantik-Verständnis ganzer Generationen geprägt. „Romantisch bist Du nur, wenn Dir dabei möglichst viele Menschen zusehen und sich nicht trauen zu lachen, weil dann der Mann mit dem Mikro ob der Störung böse wird.“
Da fällt mir ein, dass mich die Erfolgsquote der Sendung interessieren würde. Vielleicht saßen wir alle einem Irrglauben auf und haben jahrelang an falsche Rezepte geglaubt, mit unserem Verständnis von Romantik gehadert und wurden völlig zu unrecht als „kaltherzig“ bezeichnet. Es bleibt zu hoffen.
11. März 2014 um 20:08
Danke! Ich bin nicht allein. Es ist doch um einiges romantischer, nach einem anstrengenden Tag ein liebevoll zubereitetes Sandwich mit dem Lieblingsbelag im Kühlschrank zu finden, als sich mit jemandem zusammen in eine Badewanne voller Rosenblätter zu quetschen.
11. März 2014 um 20:24
Womöglich (und das ist jetzt eine sehr gewagte These) gibt es ja auch gar keine allgemein gültige Form von Romantik und jedem gefällt eben das, was ihm gefällt. Ich verstehe auch nicht, warum sich jemand über abgeschnittene Blumen freut, wenn ein lebender Kaktus ein ganzes Leben hält. Und niemals könnte es auch nur entfernt Teil meiner Gedankenwelt sein, jemandem in aller Öffentlichkeit einen Heiratsantrag zu machen. Gegen atmen hab ich nichts.
12. März 2014 um 22:50
Dieses „ohne dich ist alles doof“ – Schaf kommt doch sowieso direkt aus der Hölle, oder?
16. März 2014 um 00:18
Herrlich! Und Nein, Du bist nicht deswegen allein! Männer suchen nach einer Frau, die den ganzen Hollywood-Shit nicht will! Romantik hat nämlich rein gar nichts mit Sonnenuntergängen, Champagner und Rosen zu tun! Sondern, dass man was tut, dass dem anderen ein Lächeln ins Gesicht zaubert und er sich besonders und geliebt fühlt!