Die Eskapistin

Ich leide unter post-adoleszenter Bettverlustangst

Völlig unsherlockig…

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Wir hatten am Freitag ein Gespräch. Die Kollegen und ich. Wir reden häufiger mal, immerhin ist Kommunikation unser Beruf und bei beinahe allen auch die Berufung. Und am Freitag ging es um Begründungen – oder anders: um die Frage, warum Frauen alles hinterfragen und für alle einen Grund haben wollen.

Der Grund (hach…) für dieses Gespräch war die Tatsache, dass ich mir auf dem Markt einen Strauß Blumen gekauft hatte. Das mache ich häufiger mal – mir Blumen kaufen. Der Kollege fand das irgendwie witzig und traurig und für mich bezeichnend und wir kamen darauf, dass die meisten Frauen sich Blumen selber kaufen müssen, weil der Mann an ihrer Seite es nicht tut. Was wirklich wirklich traurig ist.

„Ich kaufe meiner Frau auch keine Blumen mehr“, sagte der Kollege, der jetzt seit bald einem Jahr verheiratet ist. „Warum nicht?“, fragten ihn drei entrüstete Kolleginnnen. „Frauen vermuten dahinter immer einen Grund. Einen Schlechten.“ Im Laufe des Gesprächs legte der Kollege uns seine Bedenken offen: „Ihr glaubt immer, dass wir ein schlechtes Gewissen haben, dass wir uns entschuldigen wollen, dass wir wollen, dass ihr irgendwas für uns tut. Ihr glaubt nie, dass wir es tun, weil ihr uns etwas bedeutet.“

Damit traf er einen sensiblen Punkt. Er hatte uns drei blumig erwischt.

Denn es zieht sich durch einen Teil wahrer Frauengespräche die Frage nach dem „Warum“. Warum hat er nicht angerufen? Warum hat er den Laptop so schnell zugeklappt, als ich den Raum betrat? Warum findet er Heidi Klum toll? Warum findet er mich nicht toll? Warum sagt er das und tut jenes? Warum sagt er jenes nicht und tut dieses nicht? Warum sieht mich die Frau dort in der Ecke so komisch an? Warum hat er mir zugezwinkert? Warum hat sie mir zugezwinkert? Warum weinte das Kind, als es mich sah? Und warum bringt der Kollege mir einfach so Kaffee an den Schreibtisch?

Rational betrachtet wissen wir natürlich alle, dass uns die Suche nach einer Antwort langfristig verrückt machen wird. Einige Dinge sollte man besser gar nicht wissen, andere Dinge will man vielleicht auch gar nicht wissen.

Mal ganz davon abgesehen, dass der Kollege recht hat: Frauen neigen dazu, die schlimmste Begründung für die wahrscheinlichste zu halten. Völlig unsherlockig wird all das was möglich ist, ausgeklammert – bis nur noch absurde Konstrukte übrig sind.

Da steht er plötzlich auf Heidi Klum, weil sie seine erste große Liebe war. War er nicht einmal in Bergisch Gladbach als Austauschschüler? Und könnten sich die Zwei dort nicht in gegenseitiger Liebe entbrannt getroffen haben? Und wieso war er vor drei Jahren mit Freunden, die man bisher nicht kennt, in den USA? Ganz klar: Er hat eine heimliche Affäre mit Heidi Klum, wir sind nur Lückenbüsser. Rotwein kann den aufkeimenden Schmerz kaum lindern.

Das mag paranoid erscheinen und ist vielleicht ein wenig übertrieben. Aber von seiner Art der Welten Kontruktion nicht von der Hand zu weisen.

Schön kompliziert, schön Drama. Es ist kein Wunder, dass auch Männer, die zu solchen Gedankenkonstruktionen neigen, als Drama-Queen bezeichnet werden. Einen Drama-King gibt es nicht; es wäre auch wohl mehr ein Abrechnungs-King: Bier getrunken, Problem vergessen.

Es liegt in der menschlichen Natur, dass wir alles wissen wollen. Ob auf dem Mars lustige Männchen wohnen, wie genau ein Herz funktioniert und warum Liebeskummer – obwohl emotionaler Schmerz – das Herz brechen kann. Wir wollen wissen, warum die Mona Lisa so undurchdringlich lächelt und warum die arme Spanierin denn aus Jesus nur ein Monchichi gemacht hat. Alles. Aber bekommen wir eine Antwort, misstrauen wir ihr. Zumeist Frauen. Ich kenne viele davon. Ich gehöre dazu.

Das ist vor allem im zwischenmenschlichen eine Belastung, weil viele Frauen glauben, dass auch alle Männer alles hinterfragen und permanent sinnierend um die Häuser ziehen. Ich befragte eine gute Bekannte zu dem gestrigen Themenkomplex – sie lachte: „Ich möchte einmal sehen, dass mein Freund sein oder mein Verhalten hinterfragt. Der denkt nie nach.“

Das war natürlich nicht nett, aber doch interessant. Zu Beginn ihrer Beziehung hatte er einige dumme Dinge getan und während sie darüber nachdachte, warum er es getan hatte, sich grämte und viel Wein trank, hatte er sich einfach nichts dabei gedacht. Gar nichts. Er hatte sein Leben gelebt.

Schlimm ist es, wenn man (eigentlich: frau) dann im gemeinsamen Kreis mit emotional nicht weniger instabilen Freundinnen plant, es dem Mann heimzuzahlen. Da will man auch nur noch Andeutungen machen, um „ihn so richtig eifersüchtig zu machen und ans Grübeln zu bringen“. Funktioniert nur nicht. Weil er ja gar nicht darüber nachdenkt, während die Frau nun noch viel mehr nachdenkt. Das ist nicht Sex And The City – das ist Realität. Setzt euch mal in ein Café neben eine Frauengruppe – ich habe es selbst belauscht.

Ich würde so gern den Rat geben, einfach mal lieber nach dem Grund zu fragen, anstatt ihn selber suchen zu wollen und schlussendlich nur zu konstruieren. Aber ich bin sowas von die Falsche für den Job. Meine ehemalige Chefredakteurin hat mich einmal „pastoral“ genannt – aber wenn ich ehrlich bin: Ich predige fragen und vollziehe konstruieren. Ich darf keine Ratschläge geben. Ich darf nur Kuchen backen und schweigen.

Grundlage all dieser Spielereien und Zerdenkungsprozesse sind, Kesro hat es schon immer gewusst, all diese Frauenserien und Zeitschriften. Sie hätten gar keine Existenzberechtigung, würde man endlich aufhören, zu hinterfragen, das Schlimmste zu befürchten und die Welt komplexer zu machen, als sie ohnehin schon ist.

Im Playboy oder in der FHM steht nicht, was Frauen meinen, wenn sie mit den Augen kurz nach links sehen und dabei mit dem Mittelfinger wackeln – umgekehrt würde es nicht wundern, wenn eine Frauenzeitschrift über dieses Phänomen bei Männern berichten würden. Vermutlich gar als Aufmacher unter dem Titel „Was seine Finger und Augen Dir wirklich sagen“.

Um es kurz zu machen (wir sind bei Wort Nummer 947): Der Kollege möchte seiner Frau nun doch häufiger mal Blumen schenken und Fragen ignorieren. Ich werde fortan nicht mehr kritisch fragend dreinschauen, wenn mir einer der Kollegen Latte Macchiato mit einer Extraportion Milchschaum bringt. Vielleicht mag er mich einfach.

12 Kommentare zu “Völlig unsherlockig…

  1. Es gibt keine zickigen Frauen. Die sind alle nur Emotionsflexibel. Ich schenke meiner Frau übrigens auch keine Blumen, hab ich auch noch nie. Klappt bisher ganz gut…

  2. Ich als Gelegenheits-Blumenschenker stelle da die Gleichberechtigungsfrage: Was bringt Frau uns Männern denn mal mit?

  3. Ich möchte an dieser Stelle einwerfen, dass der Zeitschriftenvergleich ein bisschen hinkt. Erinnere ich mich doch an einen werten Schulfreund, der voller Hingabe die „Men’s Health“ verschlungen hat (ja, ich weiß) und mit daraufhin zu berichten wusste: Wenn Frauen ihre Schuhe ausziehen, wollen sie Sex von dir. Alles klar?

  4. Ich habe glaub‘ ich genau ein Mal Blumen bekommen. Und habe mich dabei gefühlt wie in einer ZDF-Vorabendserie. Dieser Mann ist auch nicht meiner geworden 😉 Blumen sind eh doof, die sterben ja, wenn man sie abschneidet. Topfblumen hingegen sind toll. Ich habe auch mal eine ganz tolle von meinem Mann bekommen! Aus mir unerklärlichen Gründen ist diese ebenfalls gestorben. Und aus mir ebenfalls unerklärlichen Gründen habe ich danach nie wieder eine bekommen…

  5. oh ja, das kann ich nur bestätigen… dieses hinundhergegrübele… :oP.. hast du mal das buch ‚erstmal für immer‘ von matthias kalle gelesen? habe mir das erst kürzlich besorgt, anchdem mir alle dieses buch empfohlen hatten. das sprach mir dann auch dermaßen aus der seele… kannst dich ja mal informieren … =)

  6. Ach Blumen, sind doch nur ein Indiz das er ein schlechtes Gewissen hat, also lieber keine Blumen.

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