Die Eskapistin

Ich leide unter post-adoleszenter Bettverlustangst

Das Ende einer Legende – UPDATE

13 Kommentare

Die Legende war unser Mercedes: 23/24 Jahre alt, vier Gänge, Sitze wie gemütliche Sofas bei Oma, fuhr mit Salatöl und brachte mich jeden Morgen zur Arbeit. Das ist nicht mehr. Und auch ich nicht mit Arbeit. Fürs erste. Und beides hängt zusammen.

Gestern Feierabend um 15:05h. Ich sagte den Jungs noch Tschüß, liess mich von einem der Elektriker noch reich beschenken (Schrittzähler für die Arbeit!), setzte mich ins Auto, machte das Fenster auf und freute mich über die herrliche Herbstluft und auf eine heisse Dusche und den Kaffee danach. Losgefahren, noch darüber nachgedacht, eine andere Strecke zu nehmen. Dagegen entschieden. <strike>Warum nur??</strike> Kurz hinter einer Kreuzung möchte ein baugleicher Mercedes links abbiegen, ich bleibe stehen, summe noch das Lied mit, das ich gerade hörte (Adele – Chasing Pavements, merkwürdig, was man danach noch alles weiss und was man nicht mehr weiss), als es nur noch knallt. Daran kann ich mich nicht erinnern. Aber daran, wie ich auf das Auto vor mir geschoben werde. Schnell. Ohne das ich irgendwas tun konnte. Und wie ich dachte: „Aber ich habe doch nichts getan. Was soll ich tun?“ und „Ich wollte eigentlich Tebbes Auto (Peugeot 106) mitnehmen.“ Und noch dreissigtausend andere Dinge. Wie schnell etwas gehen kann. Und so. Dann saß ich im Auto. Und sah Leute heranstürmen. Und ich guckte in den Himmel. Und mir war ganz plötzlich ganz kalt. Ich sah, wie viele Leute sich um die drei Autos herum stellten. Und dann machte ich die Tür auf, bemerkte, dass die Musik gar nicht mehr lief, stieg aus und setzte mich sofort wieder. Meine Knie zitterten. Ein kleiner Junge (dachte ich, aber es war der Fahrer, des Wagens, der mit stark überhöhter Geschwindigkeit ungebremst in mich hineingefahren war) kam und fragte mich, wie es mir ginge. Was ich nicht wusste. Sein Auto hatte sich unter meinen Wagen geschoben und ihn ein Stück angehoben. Der alte, schwere Mercedes war von einem alten FORD Fiesta auf die Hörner genommen worden. Ich gab einem Mann mein Handy, damit die Polizei kommen konnte. Und ein Krankenwagen. Die Beifahrerin des Fiesta-Fahrers hyperventilierte, ich zitterte und hatte das Gefühl, mein Kopf würde explodieren. Dann rief ich meine Mutter an, rief M. an, weil ich nicht wusste, wie ich nach Hause kommen sollte. Rief A. an, weil M. nicht ans Telefon ging. Eine Frau brachte mir einen kalten Waschlappen und ich dachte: „Blute ich denn?“ Tat ich nicht. Aber ich war wohl kalkweiss, zitterte, nahm nichts war. Irgenwann kam der Krankenwagen, nahmen das Mädchen mit, wollten mich mitnehmen (ich sagte: „Brauche ich nicht.“), kam die Polizei, nahm den Unfall auf, sagten mir, ich hätte Glück gehabt, dass ich in einem Mercedes gesessen hätte, sonst hätte es ganz anders ausgesehen. Irgendwann nahm ich wahr, dass der Rahmen des Wagens hinter mir gebrochen war, dass keinerlei Bremsspuren da waren und ein Mann mir die ganze Zeit was erzählte. Dann kam meine Mutter und ich heulte nur noch, zitterte, und bemerkte, dass mir meine komplette linke Seite weh tat, mein Kopf immer wieder zu explodieren schien.

Als man den Fiesta und den Mercedes auseinander zog, fiel der Mercedes. So sehr hatte sich der Fiesta darunter geschoben. Und alle Männer drumherum: „Der war doch schneller als 70kmh!“ Ja, war er. Er gab sogar zu, nicht auf die Strasse geguckt zu haben. Drei Monate seinen Führerschein, schon zweimal auffällig. Warum durfte er überhaupt noch fahren?

Abends Krankenhaus, Diagnose noch nicht klar. Ganz klar Schock. Alle meinten, den Schlag des Aufpralls würde ich noch oft hören. An den kann ich mich nur nicht erinnern. An Adeles Chasing Pavements, ja. An den Aufprall? Nein. Ich sehe nur immer wieder, wie ich in den Wagen vor mir geschoben werde, wie ich ein Gefühl absoluter Hilflosigkeit verspüre.

Heute wieder Arzt. Schleudertrauma. Klar. Schock. Ja. Und ein Gefühl von Hilflosigkeit gegen das wohl alle Medikamente der Welt nicht helfen. Und immer wieder das Bild, wie ich in den braunen Mercedes vor mir geschoben werde, wie blau der Himmel war und dass ich tausend Dinge auf einmal dachte. In wenigen Sekunden.

UPDATE: Entgegen dessen was ich dachte, musste der Unfallverursacher sofort seinen Führerschein abgeben. Den hat die Polizei wohl gleich eingesackt und ihm verboten, sich erstmal hinters Steuer zu setzen. Richtig so.

13 Kommentare zu “Das Ende einer Legende – UPDATE

  1. Erst einmal gute Besserung!

    Wenn das WE vorbei ist, der Schock abklingt und Du dann hoffentlich feststellst, dass Du nicht allzusehr verletzt bist, dann freu ich mich auf weitere Artikel von Dir. Und natürlich drück ich Dir die Daumen, dass Du so bald wie möglich wieder arbeitest, denn das ist der beste Weg so ein Erlebnis zu verarbeiten.

    Schad um den Benz. Lass den Kerl über Schadensersatz und Schmerzensgeld richtig bluten!

    Apropos Schock: Nach meinem einzigen Unfall hatte ich noch mein Moped – gut 60kg zusammen – von der Strasse aufgeklaubt. Erst im Krankenhaus merkte man dann das gebrochene Schlüsselbein.

  2. Das ist es, was mich am Autofahren so beängstigt: man kann selbst noch so umsichtig und sinnig fahren, wenn aber irgendein Depp nicht aufpasst, kann man gar nichts machen.

    Gute Besserung für Dich! Alles andere ist zweitrangig.
    Natürlich ist es schade um den schönen Oldie, aber Autos sind ersetzlich.
    Pass auf Dich auf und lass es erst einmal ruhig angehen die nächsten Tage. So ein Schock vom Aufprall ist nicht schön, vor allem merkt man oft selbst gar nicht, wie neben der Spur man wirklich ist, geistig und körperlich. Als meinem Eltern und mir mal so ein Vollidiot reingefahren ist, dachte ich zuerst, mir ginge es prima – bis die Sanitäterin meinte, ich solle mich doch mal eben hinsetzen und mir ratzfatz ein Beruhigungsmittel spritzte. Als das Zittern dann aufhörte, wusste ich erst, wie sehr mich das Ganze mitgenommen hatte.

  3. Nachtrag: Es gibt unfassbare Idioten im Autofahrer-Alltag. Gerade eben kam mir auf der Autobahnauffahrt in einer langgezogenen Kurve, auf der man beschleunigt um sich einzureihen, ein Falschfahrer entgegen. Dem waren offensichtlich die Leut, die sich an der ABFAHRT angestellt haben (Berufsverkehr, da isses immer voll) zuviel, da fuhr er dran vorbei um dann auf der Autobahn zu wenden und die AUFFAHRT als Abfahrt zu nutzen.

    U-N-F-A-S-S-B-A-R, wie solche Vollkoffer mit dem Leben anderer spielen.

  4. au weia. gute besserung! wie gut, dass nicht mehr passiert ist, muss man da wohl sagen. halt dich tapfer.

  5. einige leute denken einfach nicht von der tapete bis zur wand, sondern bleiben echt und wirklich im kleister stecken. und denen passiert nichts. dass der junge erst seit drei monaten seinen führerschein hatte, macht es nicht besser. wie kann man so schnell durch eine ortschaft fahren? wieso guckte er nicht auf die strasse? wieso bremste er nicht einmal?
    eigentlich hätte man ihm noch an der stelle den führerschein abnehmen müssen und ihm diese karte in die hand drücken (die aktion habe ich übrigens schon vorher befürwortet): http://www1.polizei-nrw.de/muenster/stepone/data/downloads/07/01/00/wirsindesleid.pdf

  6. hui, das klingt aber schwer nach „nochmal richtig glück gehabt“ trotz auto futsch und schleudertrauma!
    gute besserung!

  7. Das klingt wirklich nach sehr viel Glück gehabt! Auto egal, Hauptsache dir ist nichts passiert. Ich bin gar nicht mehr in deinem Leben…meld dich doch mal!

  8. Aber wirklich, das war ganz großes Glück! Und zu der Fahrperformance mancher Verkehrsteilnehmer will ich an dieser Stelle eigentlich gar nichts mehr sagen. Heutzutage muss man wirklich schon dankbar sein, wenn man jeden Tag heil wieder nach Hause kommt.

    Und wenn es dann tatsächlich mal knallt, ist so ein Schlachtschiff von Mercedes der beste Schutzengel überhaupt. Ich habe unseren Benz auch mal um rund einen Meter verkürzt, nachdem ich auf einer Landstraße nahezu ungebremst in ein mir rückwärts (!) entgegenkommendes Auto geknallt bin. Eigentlich wären wir an diesem Tag nur mit einem alten Polo unterwegs gewesen. Mit dem hätte das nicht passieren dürfen.

    Ansonsten kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen. Autos kann man ersetzen und die Hauptsache ist, dass dir verhältnismäßig wenig passiert ist.

  9. Seit meinem Kollegen und mir auch mal einer drauf geballert ist fahre ich um so lieber Bahn und weniger gerne Auto.

  10. Hauptsache dir ist nichts passiert. Blech lässt sich ersetzen, auch wenn es ärgerlich ist!

    Dem jungen Mann sollte man SOFORT den Führerschein entziehen. Solche Idioten sind gefährlich! Oftmals sind sie sich keiner Schuld bewusst, oder sehen ihre Fehler garnicht erst ein.

    Dir wünsche ich erst mal GUTE BESSERUNG!!!
    Hoffentlich geht’s dir bald besser…

  11. Hmm. Autofahren ist riskant, aber die Wahrscheinlichkeit das dir das noch mal so passiert sind sehr, sehr gering. Also jetzt nicht in Panik vor der Strasse verfallen. Fahr wieder, dass macht das alles realer.
    Rest habe ich ja live gesagt. Und Knie checken lassen!!!
    Aber wiederholt: Schwein gehabt, gut das du noch da bist und viel drüber reden, dann wird es besser.

  12. Gott sei dank! Der ist doch wirklich ein Vollhonk! Und eine Gefahr für die Menschheit dazu! Bah!

  13. Hey Ulrike,

    ich hab mich ziemlich erschreckt, als ich diesen Eintrag gelesen hab! Ich wünsche Dir gute Besserung und hoffe, dass Du alles gut verarbeitest!

    Viele Grüße aus OL!

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